Wüste

5. November 2006: Wüste, wir kommen!

„Draußen stehen fünf Kamele vor dem Zelt!“ Mit diesen Worten weckt uns Sandra, und erlaubt sich damit einen Scherz. Die gefahrenen Straßen stimmen nur noch bedingt mit Landkarte und Datenmaterial im GPS überein… Sanaw selbst besticht nur durch seine Vielzahl von Reifenhändlern. Der Anbieter an der Tankstelle nimmt für die Überprüfung (wir hatten wirklich ein Loch) und Reparatur einen ganzen Rial. Samt Trinkgeld für den Inder kostet uns das Malheur also nur drei Euro und eine halbe Stunden Pause. Glück gehabt.

Wir fahren weiter Richtung Al-Mudhaybi. Die dortige verfallene Altstadt ist sehr sehenswert und quasi frei von Touristen. Von dort aus geht es nach Fath, etwas außerhalb des Ortes finden wir die schon ziemlich zerfallenen und geplünderten Bienenkorbgräber aus der Zeit zwischen 3500 und 2700 vor Christus. Da wir scheinbar viel Zeit haben und wir sowohl auf Landkarte als auch GPS eine Piste finden, wollen wir Offroad Richtung Wasil fahren. Aber schon nach wenigen Metern trennt sich die Fahrspur auf. Welche ist nun die richtige, zumal der Weg laut GPS in Richtung Landstraße führt? Da wir pünktlich um 15 Uhr am Treffpunkt für das Camp in der Ramlat al-Wa-hiba ankommen müssen, kehren wir um und nehmen die Landstrasse. Zwischenzeitlich überholt uns ein Kleinlaster mit Kamel auf der Pritsche, den wir für ein Foto in abenteuerlichem Tempo verfolgen.

Lunch in Al-Mudayrib mit Blick auf die ersten Dünen. Mit den vielen Wehrtürmen, jede Familie baute quasi ihren Eigenen, und den gepflegten Häusern (Eingangstüren mit vielfältigen Schnitzereien) gefällt uns der Ort sehr gut.

Doch wie verzichten auf eine ausgiebige Pause, um noch einen Abstecher in die „Bilderbuchoase“ (so der Reiseführer) machen zu können. Al-Hawaiyah liegt wirklich idyllisch, und an drei Seiten grenzt die Wüste an den Palmenhain. Kurze Schrecksekunde: Auf der Weiterfahrt zum Treffpunkt demonstriert ein halbstarker Einheimischer seine Fahrkünste und schleudert mit dem Jeep gekonnt über die Straße in unsere Richtung.

Fünf Minuten zu spät am Treffpunkt in Wasil: Dort treffen wir Rashid, Inhaber des Rahala Camps, sowie einige weitere Reisende. Gäste mit Jeep und Allradantrieb können selbst zum Camp fahren, PKW-Fahrer müssen das Auto stehen lassen und bei anderen mitfahren. Schnell noch den Reifendruck deutlich reduzieren (damit die Räder mehr Auflagefläche haben und nicht so schnell einsinken). Erstmals fahren wir in eine „klassische Sandwüste“, anders als die überwiegend steppenartigen Wüsten in Australien.

Nach einigen Kilometern ein erster Stopp: Beim Vater von Rashid, vor 20 Jahren Gründer des Camps, werden wir zu Datteln und arabischem Kaffee eingeladen. Und hier schmeckt uns der herbe, mit Kardammon, gemachte Kaffee wirklich gut. 2005 in Dubai waren wir nicht begeistert. Wir fahren weiter und dürfen uns fahrtechnisch gleich austoben: erst steil die Düne herunter fahren und dann auf der anderen Seite einen kleinen Anstieg. Und schon sitzen wir fest: zu wenig Schwung. Mit niedriger Allradübersetzung rückwärts. Auch ein zweiter Versuch scheitert, weil die Spur nun zu sehr aufgewühlt ist. Ein dritter Versuch 20 Meter weiter rechts gelingt.

Das Camp, in dem wir drei Nächte bleiben werden, liegt am Ende eines Wadis, an drei Seiten von Dünen umgeben. Die Hütten sind aus Palmwedel errichtet und mit zwei Betten eingerichtet. Daneben gibt es noch Ess- und Loungebereiche (im Arabischen Majlis genannt) sowie Waschräume.

Entgegen unserer Erwartung ist im Programm für uns kein Kamelritt enthalten. Wir entscheiden daher, mit einem anderen Deutschen und zwei Jeeps durch die Dünen zu fahren. Denn für unserer 2007er Tour nach Australien wollen wir noch das Wüsten-Fahren üben. Wir machen ein Foto, wie der Mitreisende mit dem Jeep die Düne hinauf rast. Warum auch immer – oben macht er eine Vollbremsung und gräbt sich tief in den Sand ein. Zu tief. Selbst mit Schaufeln kommt er nicht weg. Wir hingegen düsen durch die Wüste. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Unerfahren wie wir sind, lassen wir gleich an zwei Dünenkuppen den Jeep hüpfen. Gerade bei der Landung kein wahrlich angenehmes Gefühl. Für heute haben wir genug und fahren mit Ralf zurück ins Camp, wo Christian sich verbremst und nur knapp vor dem Zaun stoppt. Unser Begleiter lässt sich dann von einem Beduinen aus seinem, Schlamassel befreien. Spontan ergibt sich doch noch die Chance für einen kurzen Kamelritt. Ein großer Spaß, aber für Christian kein Vergnügen.

Der Abend beginnt am Lagerfeuer, wo frisches Brot gebacken wird, bevor ein kleines, aber sehr leckeres Buffet serviert wird. Abschließend serviert Rashid Datteln und frischen omanischen Kaffee. Seine Lieblingssätze dabei: „Ich komme von weit her“ und „One coffee for the road“. Nach einigen Irritationen bezüglich des gebuchten Kamel-Trekkings ist klar: Einer von Rashids elf Cousins wird stattdessen unser Guide für die ganztägige Wanderung sein. Gebucht hatten wir eine Tour mit einem ausschließlich arabisch sprechenden Beduinen namens Abed. Müde gehen wir in unsere Hütte, durch welche ganz sanft der Wind zieht und für Abkühlung sorgt.

6. November 2006: Kamel-Trekking

Frühsport ist angesagt: Pünktlich zum Sonnenaufgang klettern wir mit Annette und Volker aus Bayern auf die Düne. Eine himmlische Stille herrscht, während sich der Sand langsam verfärbt. Zum Frühstück gibt es leckere Spiegeleier. Die Verpflegung ist wirklich ganz ausgezeichnet.


Gegen 9 Uhr kommt Der Guide mit seinen drei Kamelen. Das lang ersehnte Kamel-Trekking, vielleicht der Höhepunkt dieses Urlaubs, beginnt. Langsam entfernen wir uns vom Camp, jeder von uns hält ein Kamel an der Leine. Sandras ist widerspenstig, so dass Christian zum zweifachen Kamel-Führer wird. Und an jedem Grashalm wird angehalten und gefressen … Schon bald wissen wir nicht mehr, wo das Camp liegt. Soweit das Auge sieht: Sand und Dünen in den unterschiedlichen Schattierungen. Wir wandern scheinbar tief in die Wüste hinein. Und doch gehen wir nur im grossen Bogen um das Camp herum. Wie geniessen die Stille. Auf einer besonders hohen Düne empfiehlt der Guide eine Pause. Während wir noch gebannt in die Ferne blicken, wird für uns mit einer Decke und einem Ast ein schattiger Platz gebaut. Er macht Feuer, kocht frischen omanischen Kaffee, serviert Datteln. Wir fühlen uns wie in Tausend und einer Nacht. Anschliessend steigen oder besser surfen wir die Düne hinunter. Man überredet uns zu einem erneuten Kamelritt. Während Sandra ihren Spaß hat und sicher auf dem Kamel sitzt, ist Christian froh, als es vorbei ist. Gerade aufwärts ist es für ihn schwierig, sitzen zu bleiben. Nach gut einer Stunde erreichen wir die Hütten seiner Familie Gern nutzen wir sein Angebot, bei im zu Hause statt in der Wüste zu essen.

Wir lernen seine Mutter und Geschwister kennen. Die Hütte aus Metallstangen und Bastmatten wird ganzjährig genutzt. Allerdings halten sie sich im heißen Sommer tagsüber in den kühleren Häusern in der Stadt auf. Zum Lunch gibt es, wie nicht anders zu erwarten, Hähnchen und Reis. Letzteres ist ohne Besteck und nur mit der rechten Hand nicht einfach zu essen. Im Innern sieht es recht gepflegt aus – auch wenn wir als Mitteleuropäer sicherlich nicht so leben wollen. Als westliche Wohnformen erinnert vor allem der batteriebetriebene Fernseher. Um die Hütte herum sieht es weniger gepflegt aus, überall liegen Gegenstände herum. Außerdem gibt es noch eine Art Scheune. Die Familie besitzt zwei Kühe, einen Esel, Hühner, Tauben und Kaninchen sowie zahlreiche Kamele. Letztere sehen wir nicht, weil sie in der Wüste grasen und erst abends zum Haus zurückkommen.

Auf dem Rückweg nehmen wir nur noch ein Kamel mit. Wir haben genug vom Reiten. In der Mittagssonne brennt die Sonne. Wir sind über unsere lange Kleidung froh, die uns schützt. Wir kommen an einem anderen Camp vorbei, das deutlich touristischer aussieht. Bevor wir das Wadi verlassen und wieder durch Dünen gehen, lassen wir das letzte Kamel ziehen. Es läuft von allein den direkten Weg zurück. Der Guide zeigt uns verschiedene Tiere. Gegen 16 Uhr sind wir im Camp zurück und erfrischen uns in der Open-Air-Dusche. Anschließend relaxen wir in der Kuschelecke, wie wir die Sitzecke nennen. Abends mit Annette und Volker, die von der Fahrt in die Wüste schwärmen, wieder auf die Düne zum Sunset. Wie am Abend zuvor ist die Verpflegung gut, und wir sitzen lange mit den Beiden zusammen. Rashid serviert („Ich komme von weit her“) wieder frischen omanischen Kaffee und Datteln sowie Halwa, ein typisch omanisches Dessert. Außerdem informiert er uns, dass er einen Guide für unsere Fahrt in die Wüste gefunden hat. Die anderen werden zum Tanz ums Lagerfeuer aufgeordert, um schöne Bilder für eine Reportage von „GEO Spezial“ zu bieten. Christian unterhält sich indessen mit dem Fotografen. Er hatte schon zwei vergebliche Versuche gestartet, die Canning Stock Route, die vielleicht einsamste Piste der Welt und unser Reiseziel in 2007, zu bezwingen.

7. November 2006: Wüsten-Rallye

Schon fast eine Tradition: Wir klettern mit Annette und Volker auf die Düne und genießen gemeinsam den Sonnenaufgang. Nach dem leckeren Frühstück verabschieden wir sie, räumen das Auto leer und warten auf den Guide. Das Gesicht kommt uns bekannt vor: Beim Mittagessen am Vortag hatten wir ihn kennen gelernt. Es ist ein weiterer Cousin von Rashid.

Die Tour beginnt mit einer Schrecksekunde: Der Motor springt zwar an, aber genauso schlecht wie in den Vortagen. Wir starten dennoch. Man merkt, dass unser Guide in der Wüste aufgewachsen ist. Er fährt über Sand und Dünen so selbstverständlich wie unsereins in der Großstadt. An einer hohen Düne klettert Sandra herab, um unsere Abfahrt zu fotografieren und zu filmen. Danach geht es mit hohem Tempo (vielleicht 40 bis 50 km) auf eine Düne zu und wieder steil hinauf. Sandra sitzt hinten und wird kräftig durchgeschüttelt. Ich versuche, mir ein bisschen von seiner Fahrtechnik abzuschauen. Mal schauen, ob es hilft. Auch bei einem längeren Stopp läuft der Motor weiter – wir wollen ja nicht wegen leerer Batterie festsitzen. Der Guide fängt einen Skorpion, bricht aber sicherheitshalber vorher den Stachel ab. Sandra und ich tauschen die Plätze. Und weiter geht die rasante Fahrt. Es macht wirklich viel Spass, wenn man nicht gerade hinten sitzt. Wir fahren an mehreren Fuchsbauten vorbei, die aber leer sind. Dafür sehen wir ein Mutterkamel mit einem erst vor wenigen Wochen geborenen Baby. Christian filmt eine spektakuläre Dünenabfahrt: Der Guide steht in der Tür und lässt den Jeep langsam heruntergleiten.

Zur Mittagspause fahren wir zu seinem Onkel. Er lebt dort mit seiner Frau und einer Tochter. In der Hütte sieht es ärmlicher und deutlich heruntergekommener aus als am Vortag. Wie lassen uns leckere Sandwiches mit Gurken und Hähnchen schmecken, als plötzlich noch Reis mit Hähnchen serviert werden. Satt wie wir sind, verzichten wir. Immerhin lassen wir uns zum Kauf eines geknüpften Schlüsselanhängers überreden. Auf der Rückfahrt wollen wir nun selbst fahren. Christian fängt an. Doch nach guten ersten Versuchen stecken wir schließlich an einer Düne fest. Zuwenig Gas und zu langsam geschaltet. Der Guide befreit uns. Sandra macht weiter. Schrie der Guide vorher noch „Faster!“ (schneller), beschwert er sich nun über das hohe Tempo auf der relativ ebenen Piste. Christian wird durchgeschüttelt, stößt sich zwei Mal den Kopf. Gerade noch rechtzeitig bevor es Christian richtig schlecht wird, erreichen wir das Camp, freuen uns auf eine Cola und Entspannung in der Kuschelecke. Auch wenn der Ausflug auf unseren Wunsch nicht so lang dauerte, haben wir nur ein Gefühl für Sandfahrten

Vor dem Sonnenuntergang üben wir nochmals in den Dünen und gewöhnen uns langsam an den Fahrstil. Wir gehen früh zu Bett. Wir sind müde, zudem ist es nicht so lustig wie an beiden Abenden zuvor mit Annette und Volker.

8. November 2006: Abstecher zum Frauenmarkt

Gern wären wir noch einen weiteren Tag geblieben, um im Camp einfach nur zu relaxen. Aber mit drei Übernachtungen haben wir wohl schon einen Rekord aufgestellt, lässt Rashid durchblicken. Im Regelfall bleiben die Gäste, meist Deutsche, nur eine oder zwei Nächte. Im Konvoi fahren wir gen Land- straße, denn alle wollen nach Ibra zum Frauenmarkt. Nach einem Stopp, um wieder Luft in die Reifen zu pumpen, hängen wir sie ab.

Gegen 10 Uhr erreichen wir Ibra. Entgegen unserer Erwartung kann Christian doch über den Markt bummeln. Es werden aller- dings überwiegend Haushaltswaren und andere Produkte des täglichen Bedarfs angeboten. Frauen sind in der Mehrzahl, und in ihrer unterschiedlichen Kleidung, teils sehr bunt, auch als Mann interessant anzusehen. Nur ein kleiner Teil ist dann doch für Männer gesperrt. Kurzer Einkauf im Supermarkt und zurück in Richtung Wahiba, wo wir noch einen Fotostopp am Anfang der Dünen machen.

Zweites Tagesziel ist das Wadi Bani Kalid, welches ganzjährig Wasser führt. Die Straße ist mittlerweile perfekt ausgebaut, entsprechend voll und touristisch ist es dort. Mehrere Gebäude, mutmaßlich für einen Imbiss und Toiletten, sind im Bau. Nach einem kurzen Snack – wie immer ungetoastes Weißbrot, Streichkäse und Scheiblettenkäse – machen wir eine kurze Wanderung. Aber wir haben zu wenig Zeit, um bis zur Höhle vorzudringen. Außerdem die falschen Schuhe an, und es ist zu heiß. Den Omani, der uns gegen Geld führen will, ignorieren wir. Wir erholen uns noch kurz im Schatten und lassen die Füße im Wasser baumeln. Zum erhofften Entspannungsbad ist es einfach zu ungemütlich.

Wir haben noch eine lange Fahrt vor uns: Endziel ist die Südostspitze, wo wir heute Nacht Meeresschildkröten bei der Eiablage beobachten wollen. In Bani Bu Ali wollen wir uns das Fort anschauen. Bei der vergeblichen Suche verlieren wir viel Zeit. Stopp an einer nagelneuen Tankstelle. Die Autobatterie macht uns Sorgen. Viel zu spät und nur mit Suchen erreichen wir die Küstenstraße. Die Küste mit ihrem langen und hohen Kliff sieht eindrucksvoll aus. Wir denken: In einem Jahr werden wir am anderen Ufer des Indischen Ozeans in Australien stehen. Wie im Reiseführer beschrieben, ist die Straße mittlerweile geteert. Unser Glück, denn es ist schon spät. Im Briefing unseres Reisebüros heisst es: „Rechnen Sie für die Piste mindestens zwei Stunden ein.“ Zum Glück stimmt dies nicht. Und doch kommen wir in Bedrängnis. Gemäß dem Briefing lassen wir Ras al-Djinz aus und fahren bis ans Ende der Küstenstraße. Ein Hotel im DDR-Stil, aber kein Strand mit Campingplatz und Meeresschildkröten. Wir erfahren, dass wir doch nach Ras al-Djinz müssen. Die Angaben im Briefing sind falsch, zumindest im Reiseführer hätte es aber richtig gestanden. Punkt 18 Uhr erreichen wir den Campingplatz und können noch die Tickets erwerben. Hier wird ein neues Besucherzentrum errichtet. Wir lernen ein österreichisches Pärchen kennen und kochen gemeinsam. Der Einrichtungen des Campingplatzes sind, vorsichtig gesprochen, wenig einladend.

Gegen 21 Uhr sammeln sich rund 100 Besucher. In zwei Gruppen begleiten uns Ranger an den Strand. Nach einigem Warten dürfen wir uns im Kreis um eine Meeresschildkröte stellen, die Eier ablegt und anschließend das Loch wieder mit Sand bedeckt. Wirklich beeindruckend. Viele Besucher zeigen leider nur wenig Respekt vor der Natur. Sie drängeln oder fotografieren mit Blitz. Eine zweite Schildkröte flüchtet vor den Besuchern.

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